Betriebsunterbrechungen wegen Coronavirus – Schützen Versicherungsverträge die Unternehmen?

Die weitere Verschärfung des Maßnahmenkatalogs zur Eindämmung der Coronavirus-Infektionen wird zu einer immer größeren Belastung für die gesamte Wirtschaft: Reiseveranstalter klagen über den Einbruch der Buchungen, Unternehmern verringern ihre Produktion oder müssen sie sogar ganz einstellen, Veranstaltungen jedweder Art werden abgesagt, der Gaststättenbetrieb wird massiv eingeschränkt, Kinos, Museen, Kneipen, Diskotheken und Fitnessstudios schließen, Sportveranstaltungen und Messen fallen aus.

Für die Unternehmen stellt sich daher die Frage, ob die durch die Betriebseinschränkungen und -schließungen verursachten Ertragsausfälle von ihren Versicherungsverträgen gedeckt sind. Das ist abhängig von der Ausgestaltung der Versicherungsverträge:

Es gibt Policen, die Ertragsausfälle aufgrund von Betriebsunterbrechungen abdecken. Diese sog. Betriebsunterbrechungspolicen decken jedoch im Standardvertrag regelmäßig seuchenbedingte Schließungen der Betriebe nicht ab. Denn gemäß den Bestimmungen dieser Verträge tritt der Versicherungsfall ein, wenn der Betrieb infolge eines Sachschadens unterbrochen wird. Versichert sind daher standardmäßig nur Schäden, die auf Feuer, Diebstahl, Sturm oder sonstige Naturgefahren zurückgehen.

Wenn die Unternehmen hingegen sog. All-Risk-Versicherungen abgeschlossen haben, hängt die Frage, ob wegen des Coronavirus bedingte Betriebsschließungen versichert sind, von den konkreten Vereinbarungen im Vertrag ab: Sofern Voraussetzung für die Erlangung des Versicherungsschutzes keine Sachsubstanzbeeinträchtigung ist, besteht durchaus die Möglichkeit der Deckung bei Betriebsschließungen aufgrund des Coronavirus.

Die lebensmittelverarbeitende Industrie und auch Gaststätten haben häufig sog. selbständige Betriebsschließungsversicherungen abgeschlossen, wonach Ertragsausfallschäden gedeckt sind, wenn die zuständige Behörde aufgrund des sog. Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb oder die Betriebsstätte schließt. Für die meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger wird in den Verträgen dabei auf die in §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz genannten Krankheiten und Krankheitserreger Bezug genommen, die häufig im Vertragstext der Bedingungswerke auch namentlich genannt sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Coronaviren „neuester Generation“ in diesen Bedingungswerken namentlich nicht als Risiko erfasst sein können. Die Bedingungswerke stellen für die Gewährung von Versicherungsschutz jedoch regelmäßig auf die Meldepflicht nach §§ 6, 7 des Infektionsschutzgesetzes ab. Am 30.01.2020 wurde mit der sog. Coronavirus-Meldepflichtverordnung die Meldepflicht nach § 6 und 7 Infektionsschutzgesetz jedoch ausdrücklich auf das Coronavirus ausgedehnt. § 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes wurden also erweitert, sodass nach diesen Versicherungsverträgen Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen aufgrund des Coronavirus durchaus bestehen kann. Im Ergebnis hängt die Frage, ob Deckung zu gewähren ist, im Einzelfall dann davon ab, inwieweit die jeweilige Versicherungspolice Fortentwicklungen des Infektionsschutzgesetzes sprachlich berücksichtigt.

Auch wenn der Schutz gegen epidemiebedingte Umsatzausfälle nicht Bestandteil von Standardversicherungsverträgen ist, ist jedem Unternehmer dringend zu empfehlen, seine Versicherungsverträge im Einzelnen zu prüfen, da es durchaus Policen gibt, die Pandemie-Absicherungen gewähren.

Kristina Orth, Fachanwältin für Versicherungsrecht, Fachanwältin für Medizinrecht