Verkehrssicherungspflicht an der Baustelle

In einer jüngst bekanntgewordenen Entscheidung vom 18.12.2018 (Az. VI ZR 34/17) hat sich der BGH mit der Frage befasst, wem die Verkehrssicherungspflicht an der Baustelle obliegt. Geschehen war Folgendes:

Ein Unternehmer war von der Bauherrin mit Innenausbauarbeiten an einem Umbauvorhaben beauftragt. Zwei Arbeitnehmer des Unternehmers stürzten bei Ausführung der Arbeiten durch eine mangelhaft befestigte Treppenhausabdeckung und erlitten schwere Verletzungen. Von wem bzw. in wessen Auftrag die Treppenhausabdeckung angebracht worden war, konnte nicht aufgeklärt werden.

Nachdem das Landgericht und Oberlandesgericht die gegen die Bauherrin und den bauleitenden Architekten gerichtete Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hatten, wurde die Verurteilung der Bauherrin von dem Bundesgerichtshof aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. In den Gründen der Entscheidung hat der Bundesgerichtshof unter anderem folgendes ausgeführt:

                        „Auf einer Baustelle ist primär der einzelne Bauunternehmer

                         verkehrssicherungspflichtig. Die Unfallverhütungsvorschriften der

                        Berufsgenossenschaften, die die im konkreten Fall zu beachten-

                        den Sorgfaltspflichten durch Bestimmungen über Sicherheitsmaß-

                        nahmen konkretisieren, wenden sich nur an ihn. Sie sollen die

                        Versicherten vor den typischen Gefährdungen des jeweiligen Gewer-

                        bes schützen. Diesen Zweck können sie nur erfüllen, wenn sie von

                        dem Unternehmer zu beachten sind, der die Versicherten beschäftigt.

                        Einen mit der örtlichen Bauaufsicht, Bauleitung oder Bauüber-

                        wachung beauftragten Architekten trifft - ebenso wie den ihn

                        beauftragenden Bauherrn - lediglich eine sogenannte sekundäre

                        Verkehrssicherungspflicht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass

                        der Unternehmer in dieser Hinsicht nicht genügend sachkundig oder

                        zuverlässig ist, wenn er Gefahrenquellen erkannt hat oder wenn er

                        diese bei gewissenhafter Beobachtung der ihm obliegenden

                        Sorgfalt hätte erkennen können…“

 Für die Kenntnis oder Erkennbarkeit einer Gefahrenlage durch den Bauherrn trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast. Eine sekundäre Darlegungslast des Bauherrn kommt - so der BGH weiter - in aller Regel dann nicht in Betracht, wenn der Bauherr die Bauleitung und -aufsicht auf einen Architekten übertragen hat und sich mangels gegenteiliger Anhaltspunkte darauf verlassen durfte, dass der bauleitende Architekt für die ordnungsgemäße Ausführung der Gewerke durch die hiermit beauftragten Fachunternehmen Sorge tragen werde.

Für das Vorliegen von Anhaltspunkten, welche die Zuverlässigkeit des bauleitenden Architekten infrage stellen könnten, ist wiederum der Geschädigte darlegungs- und beweispflichtig.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass Ansprüche wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung an der Baustelle vorrangig gegen den Unternehmer zu richten sind. Eine Haftung des Bauherrn reduziert sich auf (von dem Geschädigten zu beweisende) Fallgestaltungen, bei denen dem Bauherrn das Vorliegen einer Gefahrensituation bekannt war oder hätte bekannt sein müssen.

Walter Metternich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Mediator