Befunderhebungsfehler und Diagnosefehler

Die Abgrenzung zwischen einem Befunderhebungsfehler einerseits und einem Diagnosefehler andererseits bereitet in der Praxis bisweilen Schwierigkeiten. Während ein Befunderhebungsfehler stets als ein Behandlungsfehler anzusehen ist, gilt dies bei Vorliegen eines Diagnoseirrtums keineswegs uneingeschränkt.

Ein Befunderhebungsfehler ist dann gegeben, wenn die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen wird. Im Unterschied dazu liegt ein Diagnoseirrtum vor, wenn der Arzt erhobene oder sonst vorliegende Befunde falsch interpretiert und deshalb nicht die aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs gebotenen – therapeutischen oder diagnostischen – Maßnahmen ergreift.

Wird dem Arzt in erster Linie eine Fehlinterpretation des erhobenen Befundes angelastet, so liegt ein Diagnosefehler vor. Der Diagnosefehler wird allerdings nicht zu einem Befunderhebungsfehler, wenn bei objektiv zutreffender Diagnosestellung noch weitere Befunde zu erheben gewesen wären (vgl. BGH Urteil vom 21.12.2010, Aktenzeichen VI ZR 284/09).

Gelangt man in Anwendung vorstehend aufgezeigter Grundsätze zu der Erkenntnis, dass ein Diagnosefehler vorliegt, so stellt sich die weitere Frage, ob der Diagnosefehler zugleich einen Behandlungsfehler darstellt oder ob es sich um einen dem Arzt nicht vorwerfbaren Irrtum handelt. Insoweit gilt folgendes:

Irrtümer bei der Diagnosestellung, die in der Praxis nicht selten vorkommen, sind oft nicht die Folge eines vorwerfbaren Versehens des Arztes. Die Symptome einer Erkrankung sind nämlich nicht immer eindeutig, sondern können auf die verschiedensten Ursachen hinweisen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der vielfachen technischen Hilfsmittel, die zur Gewinnung von zutreffenden Untersuchungsergebnissen einzusetzen sind.

Auch kann jeder Patient wegen der Unterschiedlichkeiten des menschlichen Organismus die Anzeichen und derselben Krankheit in anderer Ausprägung aufweisen.

Diagnoseirrtümer, die objektiv auf eine Fehlinterpretation der erhobenen Befunde zurückzuführen sind, können deshalb nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler gewertet werden.

Ein Behandlungsfehler ist allerdings dann anzunehmen, wenn Symptome vorliegen, die für eine bestimmte Erkrankung kennzeichnend sein, vom Arzt aber nicht ausreichend berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.2003, Az. VI ZR 304/02).

Bestehen bei Vorliegen einer objektiv unrichtigen Diagnose Zweifel daran, ob die richtige Diagnose von dem behandelnden Arzt unschwer hätte getroffen werden können, muss dies durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgeklärt werden.

Walter Metternich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Mediator