Steuerstrafrecht – Kein Erfahrungssatz erneuter Vermögensstraftaten

Die Strafkammer hatte den Angeklagten wegen Steuerhehlerei und Beihilfe hierzu zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Die bei einer solchen Strafe noch mögliche Aussetzung zur Bewährung versagte das Landgericht indes. Zur Begründung führte es aus, dass die Haftung des nicht vorbestraften Angeklagten für die verkürzten Steuern nach § 71 AO befürchten lasse, er werde zur Begleichung der Steuer- und Zollschäden wieder in die Kriminalität abrutschen. Diese Wertung erachtete der Bundesgerichtshof für rechtsfehlerhaft und verwies die Sache mit Beschluss vom 9. Mai 2019 (Az. 1 StR 19/19) insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Denn zum einen hätte dieses Argument der Strafkammer bereits bei der Sozialprognose Berücksichtigung finden müssen, welche das Tatgericht mit Blick auf das bisher straffreie Leben und die familiären Bindungen des Angeklagten zunächst als günstig beurteilt hatte. Zudem gebe es keinen Erfahrungssatz, dass Täter allein deswegen, weil sie Vermögensstraftaten verübten, die regelmäßig entsprechende Schadensansprüche auslösten, zur Begleichung dieser Schulden erneute Straftaten begingen.

Dr. André Neumann, Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA)